MAX NEUMANN

G E O R G - W....K Ö L T Z S C H


Max Neumann - Schwarze Wasser 

Die Malerei ist das Fruchtwasser seiner Träume und Gedanken. Der erste Fluß der Farbe spült seltsame Erinnerungen an das Ufer seines Bewußtseins. Dort entscheidet Max Neumann darüber, welchen Zustand diese angetriebenen Urwesen seiner Bilder erhalten werden: ob sie sich schließlich zu erkennen geben oder im Unbestimmten verharren; ob sie Festigkeit im Kontur annehmen und zu Gestalten werden oder im Verschwommenen bleiben als amorphe Ereignisse. Und während diese Entscheidungen im Fortgang des Malens sich entwickeln, ziehen die heraus- und heranwachsenden Formen und Figuren bedrohliche Empfindungen auf sich, laden mit Zorn sich auf oder brechen sich in ironischer Distanz zu allzugroßer persönlicher Teilnahme.

Max Neumann beginnt seine Bildfiguration aus der Erfahrung, die schon Leonardo da Vinci und später die Romantiker bestrickte, daß im Flecken einer Wand wie im Geschiebe der Wolken merkwürdige Figuren und Wesen sich heraussehen lassen. Aber mit einem wachen Auge für das, was um ihn herum sich ereignet, treibt Max Neumann die entdeckten schemenhaften Züge von Ding und Tier und Mensch dann voran in erspürte Ängste, in boshafte Geschichten und schreckliche Geschichte und treibt sie auf den Tod zu. Die Reise zum Camposanto und dem »Trionfo de la morte« (ca. 1355) in Pisa liegt lange zurück. »Schumann duscht« (1985) wurde ein Bild aus schwärzester Zeit.

Schwarz ist die wichtigste und rätselhafteste Farbe in seinem Werk. Sie ist auch die lebendigste und kraftvollste. Sie ist niemals nur Symbol. Schwarz bewegt seine Bilder. Schwarz gibt Leben oder zerstört. Für Max Neumann ist Schwarz ein handelnder Stoff. Grau-flüssig, samt-weich, eckig-verletzend. Die Farbe Schwarz ist das schwarze Wasser, in dem alles herankeimt, aus em alles hervorkommt oder wieder versinkt. Geheimnis und Unheil. Die tödliche Ratte und der Dunkelmann. Gesichtslose Menschen und Masken. Anonym alle. Täter und Opfer in einem.

Und plötzlich ist da ein heller Hund. Ein Affe, zweischwänzig. Anderswo ein artistischer Esel. Ein Ungeheuer als heraldisches Gespenst bewegt das Rad der Fortuna oder ist doch nur Speiche mit allen Gliedern. Und dann das Martyrium eines erbärmlichen Tiergeschöpfes. Ungeheures und Ungeheuerliches geschieht immerfort. Homunkuli und siamesische Zwillinge treiben umher. Ein Schnabelmensch trägt den Kopf eines Menschen am langen Arm. Und ein Gnom wächst angstvoll versteckt in grauer Farbenflut heran. Schwarzes Wasser. Fruchtwasser. Die Fliegen sterben.

Bedrohliches ist im Gange. Max Neumann läßt es wachsen. Furchterregende Ziehkinder zumeist. Und doch Zucht aus Malerei. Das läßt die Bilder so unerbittlich werden, daß sie ihre Zwangsläufigkeit nicht aus der formierten Dinglichkeit des Schreckens von selbst schon behaupten, sondern aus der zwingend erscheinenden Notwendigkeit, mit der diese heran- und sich zuwächst. Und diese Notwendigkeit macht fürchten. Und ein wenig süchtig auch.



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