MAX NEUMANN

C E E S...N O O T E B O O M

aus dem Holländischen von Ard Posthuma


GESPRÄCH IN IRGENDEINER ZUKUNFT


Hätten Sie noch Fragen?
Nein, danke. Es sei denn …
Es sei denn …?
Nichts, nein. Keine Fragen.
Auch nicht zu den Schmetterlingen?
Nein, tut mir leid.
Doch eine beträchtliche Finsternis, finden Sie nicht?
Das sicher. Ich muß mich noch dran gewöhnen.
Aber es beunruhigt Sie nicht?
Nein, nur vielleicht die Formen.
Wie meinen Sie?
Alles ist anders. Es war nicht schwer
reinzukommen, aber jetzt, wo ich da bin…
…Finden Sie alles merkwürdig.
Ja.
Und warum?
Es ist der Raum hier, der mich schwindlig macht. Ein Tor,
das offen steht zu einer Nacht, wo es immer Nacht ist.
Niemand kann mir sagen, was dort geschieht.
Und das stört Sie?
Ja. Und die fehlenden Augen.
Augen? Die brauchen wir nicht. Unsere Geometrie
gehorcht anderen Gesetzen. Da verliert sich unser Blick.
Wir sehen anders. Vielleicht sollten wir es dabei belassen.
Vielleicht. Wissen Sie, an was mich das alles erinnert?
Nein.
Ich will Sie nicht beleidigen.
Sagen Sie’s nur.
An dieses Lamm von Zurbarán. Das mit den zusammengebundenen Pfoten.
Ich kenne es, aber ich sehe den Zusammenhang nicht. Was meinen Sie,
ist es tot oder lebt es?
Das ist unklar. Vielleicht wird es geschlachtet werden.
Aber es gibt keinen Laut von sich?
Nein, das nicht. Haben Sie hier viele Freunde?
Wir sind eher einsam. Aber da Sie das sagen…
Was?
Über das Lamm.
Sie meinen?
Darüber könnte man nachdenken. Vielleicht haben Sie Recht.
Es ähnelt uns. Hier herrschen die gleichen Gesetze.
Nur unser Raum ist anders. Der kann nie der Ihrige sein.
Das hat mit unserer Zeit zu tun.
Die ist auch anders?
Ja. Wenn Sie ein wenig länger bleiben würden, würden Sie’s merken.
Was würde dann passieren?
Vielleicht würden Sie… einer von uns werden. Oder jagt Ihnen das Angst ein?
Ja. Es ist klamm hier.

(Pause. Dann, zögernd:)


Was mir auffällt, ist die Stille.
Aber das macht eben der Raum. Der erträgt kein Geräusch.
Und die Handlungen?
Davon dürfen wir nicht reden. Jeder hat seine Beschäftigung.
Es geschieht vieles. Aber in totaler Stille.
Jeder hat seine Verpflichtungen. Es ist sehr schwer.
Wird es noch lange dauern?
Das ist unklar. Danach fragen wir nicht. Zeit ist für uns
nicht wichtig. Die hat hier eine andere Richtung.
Sprecht Ihr miteinander?
Kaum. Nur manchmal über Farben. Hin und wieder mal über
einen Schatten, einen Kreis. Aber meistens über Mennige, oder über Schwarz.
Und manchmal über Bewegung.
Bewegung? Warum?
Aus Heimweh. Wir haben uns nur ein einziges Mal bewegt, zumindest
glauben wir das.
Wann?
Als wir gemacht wurden.
Von wem?
Es ist jemand, den wir nicht kennen. Wir sind ihm dankbar, weil es uns
sonst nicht gäbe. Aber wir können uns nie mehr verändern.
Sie sind gefangen.
Das sehen wir anders. Wir betrachten dies hier als unser Haus.
Ich muß jetzt gehen. Es tut mit leid.
Uns auch. Aber Sie können uns immer wieder finden.
Wir sind hier, um zu bleiben.
Immer gleich?
Das hängt davon ab, wer uns betrachtet.
Auf Wiedersehen also.
Auf Wiedersehen.



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